Der Weihnachtsspaziergang

Der Weihnachtsspaziergang Lesezeit: ca. 2 Minuten Jedes Jahr ging Ilse am Morgen des 24. Dezembers spazieren. Seitdem ihr Mann verstorben ist, wurde dieser Weihnachtsspaziergang ein ganz besonderes Ritual für sie. Ilse fühlte sich oft einsam. Aber in der Weihnachtszeit verspürte sie immer eine Vorfreude mit der Gemeinde die Geburt Christi zu feiern und ihre Kinder und Enkel am ersten Weihnachtstag zu sehen. Sie genoss die Entschleunigung in dieser besinnlichen Zeit und fühlte sich Herbert - so hieß ihr Mann - besonders nahe, wenn sie ihren Weihnachtsspaziergang machte. Diese Tradition hatte Herbert eingeführt, als sie noch jung und frisch verliebt waren. Jedes Jahr gingen sie dieselbe Runde. Damals sah Vieles so anders aus, erinnert sich Ilse. Wo früher Acker und Wiesen waren, befand sich nun die Neubausiedlung des Dorfes. Dort lebten viele junge Familien mit kleinen Kindern. Sie ging gerne am Spielplatz dieser Siedlung vorbei und hörte das Lachen der Kinder. Das machte sie glücklich. Doch an Weihnachten war der Spielplatz leer. Stattdessen konnte sie durch die Fenster sehen, wie Eltern mit ihren Kleinen Plätzchen backen und manch ein Frechdachs heimlich naschte. Das haben ihre Kinder damals auch immer gemacht. Der Spaziergang ging weiter durch das Wohngebiet und in den Kern

des Ortes. Hier standen viele alte Hofanlagen im Fachwerkstil mit grünen oder braunen Toren. Zielstrebig steuerte Ilse auf den Hof mit der Hausnummer 49 zu. Hier wohnten ihre Freunde Marianne und Hans. Früher hatten sie noch Vieh und Landwirtschaft, aber heute haben sie nur noch ein paar Hühner. Aus den Eiern machte Marianne himmlischen Eierpunsch, von dem Ilse jedes Jahr schwärmte. Sie klingelte und hoffte auch in diesem Jahr die Köstlichkeit probieren zu dürfen. "Hallo Ilse, komm doch rein!", sagte Marianne als sie die Tür öffnete. "Möchtest du eine Tasse von meinem Eierpunsch kosten? Hans stellt gerade mit Willi den Weihnachtsbaum auf, aber es macht ihnen sicher nichts aus, wenn wir schon anstoßen." "Gerne!", antwortete Ilse - darauf hatte sie gehofft. Die beiden Frauen redeten über die schöne Stimmung der Weihnachtszeit, tranken Eierpunsch und aßen Plätzchen. Kurz vor der Christmette verabschiedete Ilse sich, da sie sich für die Kirche noch umziehen wollte und ging nach Hause, wo ihr Spaziergang endete. Auf der Fensterbank fand sie einen Christstollen mit Grußkarte von ihren netten Nachbarn. "Das ist der Charme der Weihnachtszeit", dachte Ilse zufrieden, "alle halten zusammen und freuen sich gemeinsam auf den Heiligen Abend.".

Autor: weihnachtsgeschichten.net

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