Weihnachten im Altenheim
Weihnachten im Altenheim Lesezeit: ca. 3 Minuten Tina ist mal wieder gestresst. Eigentlich hätte sie schon vor einer Stunde Feierabend haben sollen. Aber natürlich läuft einmal wieder nichts nach Plan. Herr Friedrich aus Zimmer 23 klingelt ununterbrochen und erfordert ihre gesamte Aufmerksamkeit. Mal will er dies, mal braucht er das. Sie hat kaum die Tür hinter sich geschlossen, fällt ihm das nächste ein. Vor lauter Stress hat sie kurz vor Schluss seinen Kaffee über das gesamte Bett geschüttet und ist jetzt gerade dabei, dieses neu zu beziehen. Herr Friedrich sitzt daneben und beobachtet sie. "Sagen Sie mal, hat so eine hübsche junge Dame wie Sie an ihrem Heiligabend nichts Besseres zu tun, als ihre Zeit im Altenheim zu verbringen?", fragt er nach einer Weile. Tina seufzt. Wenn der nur wüsste... Schließlich saß sie seinetwegen ja überhaupt hier fest. "Nein, Herr Friedrich. Auf mich wartet niemand. Ich würde trotzdem gerne nach Hause gehen", antwortet sie, vielleicht etwas zu forsch. "So so, und was tun sie dann zuhause, so ganz allein", bohrt der alte Mann weiter. "Plätzchen essen, Weihnachtslieder hören und meinen Heiligabend genießen", brummt Tina. "So sieht mein Heiligabend auch immer aus", freut sich Herr Friedrich. Tina verdreht die Augen. Sie stopft das verschmutze Bettlaken in den Wäschesack und dreht sich noch einmal um. "Also frohe Weihnachten, Herr Friedrich." Der Herr nickt nur und lächelt, fast wirkt er ein wenig traurig. Tina hat keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Nichts wie weg! Sie bringt den Wäschesack ins Schwesternzimmer, verabschiedet sich flüchtig von den Kolleginnen der Spätschicht und eilt nach draußen. In ihrem Auto angekommen atmet sie erst einmal tief durch. Endlich Feierabend! Sie würde es sich richtig gut gehen lassen. Daheim zündete sie
sich ein paar Kerzen an und öffnete die Box mit den frischgebackenen Plätzchen. Herrlich! So saß sie eine Weile da und starrte still vor sich hin. Hm, jetzt wo sie zuhause war, war es ihr irgendwie auch zu ruhig. Selbst die leise Weihnachtsmusik konnte das nicht ändern. Gerne wäre sie an Weihnachten bei ihrer Familie, doch ihre Eltern waren verreist und ihr Bruder feierte mit seiner eigenen kleinen Familie. Ihre Nichte würde sie erst am zweiten Weihnachtsfeiertag besuchen. Sie dachte an Herrn Friedrich. Der alte Herr war fast neunzig und verbrachte, seit seine Frau vor drei Jahren gestorben war, jeden Heiligabend allein in seinem Zimmer. Tina hatte kaum Zeit, sich mit ihm zu unterhalten und das, obwohl er sie so oft in sein Zimmer rief. Sie blickte auf die Uhr. Es war erst kurz vor sechs. Entschlossen packte sie ihre Plätzchenbox, zog sich ihren Mantel über und stieg ins Auto. Warum sollte sie an Heiligabend alleine herumsitzen. Das war schließlich ganz und gar nicht der Sinn von Weihnachten. Sie fuhr ins Altenheim und klopfte kurz darauf an Zimmertür Nr. 23 an. Herr Friedrich rief ein neugieriges "Herein". Als er Tina mitsamt ihrer Plätzchenbox erblickte, war er erstaunt: "Sind Sie doch noch hier?" "Ich bin wiedergekommen. Ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht ein paar Plätzchen möchten. Außerdem bin ich gespannt, wie Sie Weihnachten verbracht haben, als Sie so alt waren wie ich", antwortete Tina und zog sich einen Stuhl heran. Herr Friedrich strahlte. Dann begann er zu erzählen. Von Weihnachten in seiner Jugend und Heiligabend mit seiner Frau - und Tina saß da und hörte zu. Der Heiligabend war schöner, als sie sich ihn vorgestellt hatte. Autor: weihnachtsgeschichten.net